Auf der Berliner Museumsinsel ist seit 18. September die Ausstellung „Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme“ zu sehen. Als Germanen wurden alle Stämme östlich des Rheins bezeichnet. Cäsar höchstselbst hatte sie um 50/51 vor Christus in einem Kriegsbericht so benannt. Die Germanen hat es als einheitliches Volk jedoch nie gegeben. Es war eine Sammelbezeichnung für all diejenigen, die auf der anderen Rheinseite und damit außerhalb des römischen Reiches siedelten. Diese sogenannten germanischen Stämme bekriegten sich untereinander, wenn es gegen die Römer ging gelegentlich auch miteinander.
Um die Verwendung des Begriffs wird seit geraumer Zeit heftig debattiert. Die Ausstellungsmacher benutzen den Begriff Germanen dennoch, weil sich die Bezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch und Bewusstsein festgesetzt hat, auch durch den nationalen Mythos des neunzehnten Jahrhunderts. Man bediente sich damals dabei dieser Stämme als Vorfahren des „deutschen Volkes“, was eigentlich auch die Briten, Polen, Rumänen oder Nordafrikaner hätten tun können. Mit Arminius hatte man im neu gegründeten Deutschen Reich auch seinen Helden. Er, der in Roms Legionen tätig war, lockte diese später bei der „Varusschlacht“ im Jahre 9 in eine Falle, wo die römischen Soldaten dahingemetzelt wurden. Arminius selbst wurde mit 21 Jahren von Verwandten ermordet. Das besonders von den Nazis ausgeschlachtet populäre Germanenbild wird in einem weiteren Teil der Ausstellung problematisiert. Der Historiker Tacitus verfasste fast 100 Jahre nach der Varusschlacht „Germania“ und beschrieb darin die Sitten und Gebräuche der Menschen, die auf der anderen Seite des Rheins bis hin zur Weichsel lebten. Damit waren die Germanen endgültig geboren, als Bezeichnung für eine Gruppe von Menschen, die sich selbst wohl kaum als Einheit sahen. Cäsar und Tacitus kannten das meiste, was sie erzählten, nur vom Hörensagen. Die so genannten Germanen selbst haben leider keine vergleichbaren Texte hinterlassen und es gibt von ihnen nur wenige zeitgenössische Abbildungen. Ein römisches Relief der Ausstellung zeigt einen der Germanen als besiegten Kriegsgegner. Besiegte Gegner wurden in Ketten gelegt und meistbietend verkauft. Für die Römer waren die Germanen unzivilisierte, stinkende Barbaren. Es waren Bauern und einfache Handwerker, die in Langhäusern gemeinsam mit Familie und ihren Tieren lebten. Das Land im Osten war für die Römer relativ unbrauchbar, trotzdem gab es dort Landwirtschaft und Handwerk der einheimischen Siedler, wie man in der Ausstellung sehen kann. Tacitus hat Germanien als „schauererregende“ Wildnis geschildert, was mit der Realität wenig zu tun hatte. Das rechtsrheinische Gebiet war kultiviert, Siedlungen waren oft in Sichtweite voneinander angelegt und es gab jahrhundertealte Handelswege bis nach Skandinavien und zum Schwarzen Meer. Westlich des Rheins hielten die Römer Gallien besetzt. Dafür brauchten sie auch Menschen aus den östlichen Gebieten, mitunter auch als Sklaven. Die mussten bei den zahlreichen Stadtneugründungen helfen und zur Verteidigung des riesigen römischen Reiches in den Legionen dienen. Trotzdem herrschte ein reger Austausch zwischen den nicht immer befreundeten germanischen Nachbarn und den Römern. Die Ausstellung in der James-Simon-Galerie gibt Einblicke in diese Gemeinschaften, die zwischen dem 1. Jahrhundert vor und dem 4. Jahrhundert nach Christus die Gebiete rechts des Rheins und nördlich der Donau besiedelten. Die Ausstellung zeigt das Bild von Bauern und Handwerkern mit einer Oberschicht, die vor allem in üppig ausgestatteten Gräbern sichtbar wird. Die Ausstellung endet mit der Völkerwanderung im vierten Jahrhundert, als Stämme wie die Goten, Franken, Vandalen, Langobarden, Sueben und einige andere aufbrachen und über den Limes tief ins römische Imperium vordrangen. Die Ausstellung läuft noch bis 21. März 2021. Ein dicker und reich bebilderten Ausstellungskatalog zeigt den aktuellen Stand der Forschung und gibt Einblicke in das Leben der germanischen Gesellschaften in den ersten vier Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung. Speziell mit den Legionen Roms in Germanien beschäftigt sich Thomas Fischer, ehemals Professor für die Archäologie der römischen Provinzen am Archäologischen Institut der Universität zu Köln, in seinem Buch „Gladius“. Dort sind alle kriegerischen Auseinandersetzungen und die Ansiedlung von Legionen in den fünfhundert Jahren der unmittelbaren Nachbarschaft ausführlich beschrieben. Für den, der die vielen Einzelheiten mag, eine sehr gute Ergänzung zur Ausstellung. Er entwirft ein anschauliches Bild vom damaligen Militärwesen, dessen Erbe bis heute an vielen Orten in Deutschland sichtbar ist. Ernst Reuß Uelsberg, Gabriele / Wemhoff, Matthias (Hrsg.), Germanen, Eine archäologische Bestandsaufnahme, wbg Theiss, Darmstadt 2020, 640 S. mit etwa 420 farbigen Abbildungen und Karten, 50 €. Thomas Fischer, Gladius. Roms Legionen in Germanien, Beck Verlag, München 2020, 352 S., 63 Abbildungen, 26 €. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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