Der erstmals 1322 schriftlich erwähnte Ort Mizocz beziehungsweise Misotsch ist heute eine Siedlung in der Westukraine mit etwa 3500 Einwohnern.
Kurz nach dem am 23. August 1939 im Moskauer Kreml unterzeichneten Nichtangriffspakt zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR, wurde das damals polnische Mizocz durch die Sowjetunion besetzt. Mit dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939 begann bereits neun Tage nach Vertragsunterzeichnung der Zweite Weltkrieg. Nicht einmal zwei Jahre danach - am 22. Juni 1941 - wurde der Nichtangriffspakt gebrochen und die deutsche Wehrmacht startete das „Unternehmen Barbarossa“. Die UdSSR wurde überfallen. Drei Heeresgruppen überquerten im Schutze der Morgendämmerung die erst im Herbst 1939 neu festgelegten Grenzen. Hitler und seine Generäle hatten einen Blitzkrieg von längstens vier Monaten geplant. Die Sowjetunion wurde zu Beginn überrannt. Auch Mizocz wurde von den Deutschen besetzt. Die nicht geflüchteten jüdischen Bewohner von Mizocz hatten von da an nicht mehr lange zu leben. Zuerst wurde ein Ghetto errichtet und die jüdischen Bewohner als Zwangsarbeiter missbraucht. Am 12. Oktober 1942 wurde das Ghetto jedoch von deutschen Polizisten und ukrainischen Freiwilligen umzingelt, um es zu liquidieren. Zwei Tage lang widersetzten sich die jüdischen Bewohner, bevor sie am 14. Oktober kapitulierten. Vielen war unterdessen die Flucht in die Wälder gelungen, was den meisten leider wenig nutzte, denn sie wurden von Angehörigen der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung aufgespürt und umgebracht. Der Rest wurde mit Lastwagen zu einem Graben gebracht. Dort wurden etwa 1500 jüdische Männer, Frauen und Kinder exekutiert. Zuvor mussten sich die in kleineren Gruppen ankommenden Menschen entkleiden und zu den bereits erschossenen Opfern legen. Zeugnis davon sind die Fotos eines aus dem Sudetenland stammende deutschen Polizisten, die 2015 im tschechischen Nationalarchiv ausfindig gemacht wurden. Eine Ausstellung und der dazugehörige Katalog zeigen erstmals den Holocaust zwischen Ostsee und Schwarzem Meer 1941-1944, bei dem über zwei Millionen Menschen Opfer von Massenerschießungen durch die SS und deutsche Polizisten sowie deren einheimische Helfer wurden. Etwa ein Drittel aller Holocaustopfer wurden also erschossen oder in Gaswagen ermordet. Die Eingangstafel der Ausstellung markiert mit schwarzen Punkten die Orte, in denen mehr als 500 Menschen exekutiert wurden. Es sind sehr, sehr viele schwarze Punkte. Ernst Reuß Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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