Der britische Historiker Antony Beevor hat erneut ein umfangreiches Werk zum Zweiten Weltkrieg verfasst.
Beevor ist ein hervorragender Erzähler mit enormem Wissen. Sein Buch „Berlin 1945: Das Ende“ wurde in 24 Sprachen übersetzt und war in vielen Ländern ein Bestseller. Zuletzt erschien sein Werk „Der Zweite Weltkrieg“, das ebenfalls ein Verkaufsschlager wurde. Nun beschäftigte er sich mit der Ardennen-Offensive, laut Titel also mit „Hitlers letzter Schlacht im Westen“. Eigentlich schien das Ende des Zweiten Weltkrieges bereits ziemlich nah, als die deutsche Offensive in den Ardennen begann. Der Angriff am Morgen des 16. Dezember 1944 kam für die dort personell weit unterlegenen Amerikaner vollkommen überraschend. Es war die blutigste Schlacht an der Westfront, was auch daran lag, dass dafür von der Ostfront abgezogene deutsche Divisionen eingesetzt worden waren. Die Verlegung neuer amerikanischer Truppen in die Ardennen und mangelnder deutscher Nachschub ließen die Offensive allerdings nach relativ kurzer Zeit scheitern. Am 27. Dezember musste die Wehrmacht an allen Frontabschnitten zur Verteidigung übergehen. Bis zum 16. Januar 1945 verloren die Deutschen sämtliche Geländegewinne. Der Blutzoll war ausgesprochen hoch. In nur sechs Wochen hatten auf beiden Seiten je rund 80.000 Soldaten ihr Leben verloren, waren verwundet oder wurden vermisst. Antony Beevor war Berufsoffizier in der britischen Armee gewesen, was man an seiner Detailtreue merkt. Auch das kleinste Scharmützel und die daran teilnehmenden Truppen und Offiziere werden ausführlich beschrieben. Beevor fängt einzelne Episoden der Schlacht brillant ein. Er zeichnet das Geschehen nachvollziehbar und plastisch. Die Hinterhalte und Feuerkämpfe, die Schrecken des winterlichen Krieges, die Geschichten von psychischen Zusammenbrüchen, aber auch von Mut. Leider verliert er sich dabei mitunter im Klein-Klein und verfällt manchmal in Heldenverehrung, obwohl er auch von persönlichen Eitelkeiten, Ehrgeiz und Arroganz der Militärbefehlshaber, sowie von amerikanisch-englischen Animositäten berichtet. Besonders dem englischen Heerführer und Kriegsheld Montgomery scheint er nicht so ganz wohlgesonnen zu sein. Er erzählt aber nicht nur heldenhafte Geschichten, sondern auch von Massakern an Gefangenen, von Plünderungen, Vergewaltigungen und der Ermordung von sich bereits befreit fühlenden Dorfbewohnern aus den Ardennen. SS-Truppen wüteten grauenhaft, wie schon zuvor an der Ostfront. Sie schreckten auch nicht vor der Tötung von Zivilisten und amerikanischen Kriegsgefangenen zurück, was wiederum zu Racheexzessen an sich ergebenden deutschen Soldaten führte. Laut Beevor gab es diesbezüglich mehr Exzesse als bisher angenommen. Zum Teil von alliierten Generälen gebilligt. Einer der deutschen Täter war der Berliner SS-Kommandant Joachim Peiper, der seinen Untergegebenen befahl, keine Gefangen zu machen. Man war das wohl von der Ostfront gewohnt. Am 17. Dezember 1944 wurden in der Nähe von Malmedy mehr als 100 US-amerikanische Soldaten gefangen und nach der Entwaffnung mit Maschinenpistolen niedergemäht. Dabei wurden 82 amerikanische Soldaten getötet. Nach dem Krieg wurde er wegen des sogenannten „Malmedy-Massakers“ zum Tode verurteilt, aber nach elfeinhalb Jahren Haft begnadigt. Danach arbeitete Peiper für Porsche und VW, wurde jedoch auf Druck des Betriebsrats entlassen. Als Lektor und Übersetzer von Militärbüchern war er später für den Motorbuch Verlag tätig. 1976 wurde der inzwischen in Frankreich lebende Peiper ermordet. Täter wurden nie ermittelt, aber wahrscheinlich war es ein später Racheakt von Veteranen aus der Resistance. Ernst Reuß Antony Beevor, Die Ardennen-Offensive 1944. Hitlers letzte Schlacht im Westen, München 2016, € 26,00 Comments are closed.
|
AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
|