1762/63 rief Zarin Katharina II. Ausländer zur Besiedlung und Kultivierung ins Russische Reich. Die Zarin mit deutschen Wurzeln erlaubte nach ihrer Machtübernahme auch tausenden deutschen Bauern die Ansiedlung in den Ebenen beiderseits der Wolga. Man spricht daher von den Wolgadeutschen. Die Zarin versprach den Siedlern Religions- und Steuerfreiheit sowie das Verfügungsrecht über ihr Land. Es kam in der Folge zu deutschen Ansiedlungen im Nordkaukasus, in Georgien, in Aserbaidschan und in Armenien.
Ein relativ unbekanntes Kapitel stellt die Besiedelung vor allem von radikal-pietistischen Schwaben in Südkaukasien dar. 1817 bis 1819 geschah das. Etwa 500 Großfamilien gründeten 1818 nahe Tiflis, acht Kolonien, die dort als „Schwabendörfer“ bekannt wurden. 1918 gab es in Georgien schon mehr als 20 derartiger Dörfer. Man würde die als Kaukasiendeutsche bezeichneten Auswanderer heute wohl Wirtschaftsflüchtlinge oder Sektenangehörige nennen. Auf ihre Herkunft und Kultur legten sie Wert und sprachen auch in ‘Russland ihren eigenen Dialekt. Obwohl ihre Anzahl vergleichsweise gering war, hinterließen sie laut den Autoren in der Region tiefe Spuren. Nicht nur in der Architektur der Hauptstädte Tiflis und Baku; sondern auch bei der Industrialisierung und bei der Wein- und Spirituosenproduktion spielten deutsche Firmen eine wichtige Rolle. Unter Stalin waren die deutschen Kolonisten im Kaukasus grundsätzlich verdächtig und auch viele von ihnen wurden verschleppt oder ermordet . Nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion 1941 erfolgte die Deportation nach Kasachstan und Sibirien. In den 1990 Jahren kamen viele ihrer Nachfahren in die Bundesrepublik zurück. Eine reich bebilderte, interessante Broschüre der vom Deutschen Kulturforum östliches Europa mitinitiierte Ausstellung „Entgrenzung - Deutsche auf Heimatsuche zwischen Württemberg und Kaukasien“, berichtet von den wenig bekannten Schicksalen. Ernst Reuß Auch, Eva-Maria; Nawroth, Manfred: Entgrenzung. Deutsche auf Heimatsuche zwischen Württemberg und Kaukasien, Potsdam 2017; mit zahlreichen Abbildungen und Übersichtskarten. Broschur, 64 Seiten, herausgegeben vom Deutschen Kulturforum östliches Europa, dem Kultur- und Wissenschaftsverein EuroKaukAsia und dem Museum für Vor- und Frühgeschichte – Staatliche Museen zu Berlin, 9,80 €. Kommentare sind geschlossen.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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