Das Buch „Karrieren der Gewalt: nationalsozialistische Täterbiographien“ ist zwar schon vor längerer Zeit erschienen, aber immer noch aktuell.
Nicht alle der im Buch beschriebenen Täter sind öffentlich bekannt. Gerade deswegen sollte man sich die 23 Täterbiografien und ihre Namen merken. Sie hießen: Gustav Freiherr von Mauchenheim, Heinrich Bergmann, Adolf von Bomhard, Dr. Oskar Dirlewanger, Erich Ehrlinger, Hans Gaier, Curt von Gottberg, Heinrich Hamann, Georg Heuser, Ilse Koch, Hans Krüger, Gustav Lombard, Georg Michalsen, Walter Nord, Rudolf Pallmann, Walter Reeder, Heinz Seetzen, Gertrud Slottke, Ernst Szymanowski alias Biberstein, Will Tessmann, Christian Wirth, Paul Zapp und Egon Zill . Viele Massenmörder waren dabei, darunter erstaunlicherweise sogar ein Pastor. Wegen seiner Taten wurde er zum Tode verurteilt, als Geistlicher aber begnadigt und 1958 entlassen. Nach seiner Freilassung arbeitete er vorübergehend wieder in der Kirchenverwaltung. In ihrer Einleitung unterscheiden die Herausgeber fünf Tätertypen: Die Opportunisten aus Karrieregründen, die Weltanschauungstäter, die Exzesstäter, die Schreibtischtäter und die „Mischung aus Schreibtisch- und Direkttätern, aus Vordenkern und Vollstreckern“. Zum Massenmörder zu werden hatte nichts mit Befehlsnotstand zu tun, auch wenn das häufig behauptet wurde. Beispiele sind der 1906 geborenen Bäckergesellen Egon Zill, dem im KZ Dachau Gewalttätigkeit der Inbegriff der Männlichkeit zu sein schien oder der 1895 geborene Oskar Dirlewanger, der ich in den besetzten Gebieten an sadistischen Gewaltinszenierungen, Plünderungen, Massenvergewaltigungen und Morden ergötzte. Im Buch werden auch die Nachkriegskarrieren der Täter berücksichtigt. Einige nahmen eine neue Identität an. Die meisten kehrten allerdings in ihr altes Leben als Biedermänner zurück und machten mitunter Karriere. Viele der Täter waren bereits zur Zeit der Weimarer Republik in den Polizei- oder Militärdienst eingetreten und machten nach dem Krieg dort einfach weiter. So wurde Heinrich Bergmann 1955 beim Bundeskriminalamt wieder eingestellt und auch Walter Nord gelang nach einigen Umwegen 1956 die Rückkehr in den Polizeidienst. Wie Bergmann wurde Nord in den 60er-Jahren von seiner Vergangenheit eingeholt, als die Justiz Ermittlungen anstrengte. Georg Heuser wurde 1958 sogar Leiter des Landeskriminalamts von Rheinland-Pfalz, obwohl er in Minsk eigenhändig an der Vernichtung von Juden beteiligt war. Die beschriebenen 23 Täter waren sicherlich keine Ausnahmen im Nachkriegsdeutschland. Ernst Reuß Klaus-Michael Mallmann/Gerhard Paul [Herausgeber]: Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, 282 Seiten, 20 Euro. Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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