Bob Woodward, die amerikanische Reporterlegende, hat ein Buch über Donald Trump geschrieben. Nun gibt es das auch auf Deutsch und heißt „Furcht: Trump im Weißen Haus“. Die „Furcht“ im Titel bezieht sich auf ein Interview Trumps als Präsidentschaftskandidat. Auf die Frage was ihm Macht bedeute, antwortete Trump: „Wirkliche Macht ist (…) Furcht.“ Ein roter Faden im Buch, denn genau das beabsichtigt Trump beim Gegenüber zu erzeugen, wenn er einen besseren „Deal“ erreichen möchte. Er hält sich selbst für den größten „Dealmaker“, weshalb alle Abkommen, die nicht von ihm selbst abgeschlossen wurden, schlecht für die USA sind.
Woodward, der mit seinem Kollegen Bernstein die Watergate – Affäre aufdeckte, wurde einst im Oscar prämierten Hollywoodklassiker „Die Unbestechlichen“ von Robert Redford verkörpert. Der auf wahren Begebnissen basierende Film handelt von zwei gewieften Reportern, deren Enthüllungen den sich in Lügen verstrickenden amtierenden Präsidenten Richard Nixon stürzten. Viele hätten sich jetzt gewünscht, dass Bob Woodward neue Tatsachen ans Licht bringen würde, um den momentan amtierenden Präsidenten zu stürzen, der es ebenfalls nicht so genau mit der Wahrheit nimmt. Dem ist allerdings nicht so. Zwar zeichnet auch Woodward das Bild eines ignoranten, paranoiden Narzissten und notorischen Lügners mit der Aufmerksamkeitsfähigkeit eines Kindes, aber das allein reicht nicht für ein Amtsenthebungsverfahren. Von Trump zu unterschreibende Briefe seien von seinem Schreibtisch gestohlen worden, um Schlimmes zu verhindern. Woodward schreibt: „Mitglieder seines Stabes hatten sich zusammengetan, um vorsätzlich die nach ihrem Dafürhalten gefährlichsten Impulse des Präsidenten abzublocken.“ Unter den Mitarbeitern soll Angst herrschen, dass er aus Versehen einen Krieg anzettelt. Im Buch ist das Faksimile eines Briefentwurfs abgedruckt, den Trump unterschreiben wollte, um das Handelsabkommen mit Südkorea aufzukündigen, was zu unkalkulierbaren militärischen Problemen und Gefahren geführt hätte. „Das alles entsprang der Wut Trumps darüber, dass die USA gegenüber Südkorea ein Handelsdefizit von jährlich 18 Milliarden Dollar hatten und 3,5 Milliarden Dollar jährlich für den Unterhalt ihrer dort stationierten Truppen ausgaben.“, schreibt Woodward. Kommt einem bekannt vor. Eine Manie von Donald Trump, die er sich von seinen Wirtschaftberatern und Spezialisten, die meist der Ansicht sind, dass ein Handelsdefizit durchaus Vorteile haben könnte, nicht ausreden lässt. Woodward ist ein akribischer und guter Berichterstatter der US-Amerikanischen Politik unter Donald Trump. Spannend und flüssig kann man in seinem Buch lesen, wie dort Politik funktioniert. Woodward zeigt sehr viel vom Leben des mächtigsten Mannes der Welt und dessen Umfeld auf. Donald Trump macht Politik wie er twittert: impulsiv und für jeden immer wieder überraschend, auch für diejenigen die ihm eigentlich nahe stehen und ihn verstehen müssten. Die Realität hat inzwischen jede Hollywoodkomödie überholt. Nachdem alle Bemühungen, die Twitter-Aktivitäten des Präsidenten zu kontrollieren oder ihn von seinem obsessiven Fernsehkonsum abzuhalten, der die Tweets zumeist auslöste, gescheitert waren, schlug man ihm vor, Tweets für ihn zu entwerfen. Man wollte nicht, dass er sich selbst schaden würde. Trump sagte zu, twitterte aber munter weiter. Allerdings ließ er sich von nun an seine Tweets mit den meisten „Likes“ vorlegen, um sie selbst zu analysieren und daraus Erkenntnisse für neue Tweets zu gewinnen. Er bezeichnet seine Tweets als „ungefiltertes Megaphon“ für Millionen Menschen, womit er sicherlich nicht unrecht hat. Für eine Beurteilung Trumps muss man eigentlich nur seinem Twitteraccount folgen und lesen, was er dort so von sich gibt. Wer die mitunter absonderlichen und oft sehr primitiven Tweets liest, wundert sich, dass das von einem Präsidenten der Vereinigten Staaten stammen soll. „Make America Great Again“ ist die simple Devise von Donald Trump. Für viele seiner Wähler reicht das. Wie zu Erwarten reagierte Trump schon im Vorfeld des Buches per Twitter. Es seien alles „Fake-News“ einer Hexenjagd gegen ihn. Aber der mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Woodward ist in der Journalistengilde hochangesehen und gilt als sorgfältiger Chronist, dessen 2013 erschienenes Buch über Barack Obama von Trump noch ausdrücklich gelobt worden war. Für sein Buch über Trump hat Woodward hunderte Stunden Interviews mit Insidern geführt sowie sich auf Protokolle und Regierungsdokumente gestützt. Dennoch gibt es keine wesentlich neuen Enthüllungen. Der regelmäßige Nachrichtenkonsument kennt das, was Woodward im Detail bestens recherchiert und dokumentiert hat. Das Buch beinhaltet zwar ein paar neue Anekdoten, aber ansonsten auch viel Klatsch und Tratsch, was mitunter sehr unterhaltsam sein kann. Trumps angebliche Russlandverbindungen und unappetitliche Details seines Umgangs mit Prostituierten in Moskau sind keine neuen Sensationen, sondern inzwischen wohlbekannt. Wobei Trump von Woodward diesbezüglich eher entlastet wird. Trumps Stabschef und sein Außenminister sollen Trump öffentlich als Idioten beziehungsweise Schwachkopf tituliert haben, dem politische Zusammenhänge vollkommen fremd und egal seien. Die meisten seines Gefolges sind inzwischen gefeuert oder haben von selbst den Hut genommen, doch es geht mit neuem Personal einfach weiter. Woodward beendet das Buch mit dem detaillierten Bericht über das Geschachere um Trumps Aussagen bei Sonderermittler Müller. Trumps Anwalt legte sein Mandat nieder, weil Trump gegen seinen Rat dort freiwillig aussagen will. Nicht, weil er ihn diesbezüglich für schuldig hält, sondern weil er glaubt, der notorische Lügner Trump würde in eine Meineidfalle tappen, auf die ein Impeachment-Verfahren folgen könnte. „Du musst stark sein. Du musst aggressiv sein. Du musst hart zurückschlagen. Du musst alles ableugnen, was du angeblich getan haben sollst. Gib nie etwas zu.“, soll auch ein Zitat von Trump sein. Trumpgegner werden das Buch als weiteren Beleg ihrer schlimmsten Befürchtungen nehmen, seine treuen Fans werden es dagegen als „Fake News“ verdammen. Es wird ihm auch diesmal nicht schaden. Immerhin sollte man zugestehen, dass er trotz großmundigere Versprechen einige „Handelsdeals“ abgeschlossen hat, die kurzfristig Vorteile für die USA bringen. Die Furcht vor seiner eigenen Unberechenbarkeit ist sein größtes Pfund und Trump weiß das zu nutzen. Trumpismus oder einfach Wahnsinn? Die Geschichte wird es zeigen. Ernst Reuß Bob Woodward, Furcht, Trump im Weißen Haus, Rowohlt Verlag 2018, Hardcover, übersetzt von: Thomas Gunkel; Hainer Kober; Peter Torberg; Karl Heinz Siber; Karsten Singelmann; Stefanie Römer; Pieke Biermann; Sylvia Bieker; Gisela Fichtl; Stephan Kleiner; Monika Köpfer; Henriette Zeltner; Elisabeth Liebl, Deutsche Erstausgabe, 528 Seiten 22,95 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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