„Die Schatten der braunen Vergangenheit blieben in der Bundesrepublik jahrzehntelang übermächtig. Und niemand symbolisierte das so klar und deutlich wie Hans Globke, der Chef im Bonner Kanzleramt.“, schreibt der Autor Klaus Bästlein in seinem Buch „Der Fall Globke, Propaganda und Justiz in Ost und West“.
Man sollte meinen über Globke sei bereits alles gesagt, denn er gilt als das prominenteste Beispiel für die personelle Kontinuität des Übergangs vom „Dritten Reich“ zur Bundesrepublik Deutschland. Sein Name symbolisierte die Integration der NS-Eliten in die westdeutsche Gesellschaft. Globke galt als „graue Eminenz“ und engster Vertrauter von Konrad Adenauer. Zu seinem Aufgabenbereich gehörten auch die Kontrolle von BND und Verfassungsschutz, obwohl er selbst kein unbeschriebenes Blatt war. Der 1898 geborene Hans Globke hatte nicht nur die NS-Rassengesetze kommentiert, sondern auch Verordnungen verfasst, die die Deportation von Juden erst ermöglichten. Es war seine Idee, dass alle Juden ihrem eigenen einen zweiten Vornamen hinzuzufügen hatten: „Sara“ oder „Israel“. Auch das in Pässe von Juden gestempelte „J“ hatte Globke angeregt. Er schuf mit dieser Erfassung die verwaltungstechnischen Voraussetzungen für den Holocaust und für die Einziehung des Vermögens der Ermordeten. Trotzdem wurde er nach dem Krieg als „unbelastet“ entnazifiziert und dabei angeblich als „Widerstandskämpfer“ eingeordnet. Bästlein schreibt: „Globke hätte niemals eine leitende Position in der Bundesrepublik einnehmen dürfen. Seine Tätigkeit wirft einen Schatten auf Adenauers Verdienste als Bundeskanzler. Globke stellt nämlich nicht nur ein moralisches Problem dar, sondern die von ihm betriebene Renazifizierung prägte die junge Bundesrepublik so nachhaltig, dass für ihre Überwindung Jahrzehnte erforderlich waren.“ Globke wurde nach dem Krieg auch für den Holocaust in Griechenland mitverantwortlich gemacht, was den unvergessenen, aber damals heftig angefeindeten hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer dazu bewog ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einzuleiten. Im Mai 1961 wurde das Verfahren nach Intervention von Kanzler Adenauer an die Staatsanwaltschaft Bonn abgegeben und dort erwartungsgemäße mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Es entsprach der damals in der Bevölkerung vorherrschenden Meinung, dass über die Vergangenheit Gras wachsen sollte. Kein Wunder, denn die meisten Deutschen waren mehr oder weniger an der Nazi-Herrschaft beteiligt oder hatten von ihr profitiert. 77 % der Leitenden Beamten der Abteilung Strafrecht des Bundesjustizministeriums waren ehemalige Mitglieder der NSDAP. Nachzuvollziehen, dass Fritz Bauer, der den Frankfurter Auschwitzprozess und den Prozess gegen Adolf Eichmann erst ermöglichte, sich im „feindlichen Ausland“ wähnte, wenn er sein Büro verließ. Globke war natürlich ein gefundenes Fressen für Propaganda-Attacken des SED-Regimes. Die DDR versuchte sich schließlich als das antifaschistische und bessere Deutschland zu profilieren. Man ließ ihn daher mittels Steckbriefen suchen, obwohl jeder wusste wo er sich aufhielt. Unter seinem Konterfei, das an allen Litfaßsäulen hing, stand: „Dr. Globke ist dringend verdächtig, als langjähriger Mitarbeiter des faschistischen Reichsinnenministeriums maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung der faschistischen Verbrechen, die zur Ermordung von Millionen jüdischer Bürger und Angehöriger anderer Völker führten, mitgewirkt zu haben.“ Das Oberste Gericht der DDR verurteilte ihn schließlich 1963 in Abwesenheit wegen Mittäterschaft am Judenmord zu lebenslangem Zuchthaus. Der Tagesspiegel berichtete damals unter der Überschrift „Pankower Propagandaprozess“. Im Unterschied zu bisherigen Büchern über Hans Globke beschäftigt sich Klaus Bästlein, als promovierter Historiker und Volljurist, auch intensiv mit diesem Urteil, das in großen Teilen abgedruckt ist. Er meint, dass es bemerkenswert sei: „dass ein gerichtliches Verfahren, das zu propagandistischen Zwecken durchgeführt und rechtsstaatswidrig vorbereitet wurde, zu einem juristisch einwandfreien und in seiner historischen Substanz beachtlichen Urteil führte.“ Diesbezüglich wird er sicherlich Widerspruch ernten, meint aber: „Hans Globke war ein NS-Schreibtischtäter. Er hat keinen Menschen eigenhändig getötet. Das tat auch Adolf Eichmann nicht. Doch Globke schuf die juristischen Voraussetzungen für die Vernichtung der europäischen Juden. Ohne die Definition, wer als ]ude zu gelten hatte, und ohne Regelungen über die Auslöschung ihrer bürgerlichen Existenz samt Vermögenseinziehung wären die Deportationen und damit der Massenmord nicht möglich gewesen.“ Zusammen mit seinem Mentor Konrad Adenauer trat Globke 1963 zurück und beschloss als Pensionär in die Schweiz überzusiedeln. Er hatte ein Haus am Genfer See gekauft, das er aber wieder verkaufen musste, weil die Schweizer Regierung ihn trotz Intervention Adenauers zu einem unerwünschten Ausländer erklärte und ihm die Einreise verbot. Zehn Jahre nach seiner Pensionierung starb der mit Verdienstorden reichlich dekorierte Globke in seinem Wohnort Bonn. Ernst Reuß Klaus Bästlein, Der Fall Globke, Propaganda und Justiz in Ost und West, 304 Seiten Metropol Verlag, Berlin 2018, € 22.00 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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