Der Begriff „Donauschwaben“ ist keine Bezeichnung für eine homogene Gemeinschaft, sondern war die Sammelbezeichnung für eine Gruppe von mehrheitlich Deutschen, die vom Ende des 17. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Ungarn auswanderten. Von deutschen Donauhäfen aus fuhren regelmäßig Schiffe flussabwärts nach Österreich und Ungarn. In mehreren sogenannten „Schwabenzügen“ fand die planmäßige Wiederbesiedlung, der nach den Türkenkriegen größtenteils entvölkerten Landstriche statt. Die Zuwanderer wurden von ihren neuen Nachbarn als Schwaben bezeichnet. Zwar kamen die meisten aus Süddeutschland, aber auch Nichtdeutsche fanden dort Aufnahme. Bedingt durch die Herkunft der Siedler wies ihre Sprache aber vor allem fränkische, bairische und alemannische Elemente auf. Ein Buch aus der Reihe „Potsdamer Bibliothek östliches Europa“ zeichnet ihre Geschichte nach. Nach dem ersten Weltkrieg, mit den neuen Grenzziehungen, lagen die Siedlungsgebiete der „Donauschwaben“ in Ungarn, Rumänien und Jugoslawien. Unter Hitler wandelten sich die „Donauschwaben“ zu „Volksdeutsche“. Das waren für das nationalistische Hitlerregime alle Deutsche, die in Europa als Minderheit lebten. Eine vorher alles andere als homogene Bevölkerungsgruppe wurde nun „national“. Viele von ihnen waren für die Ideologie ihres Führers sehr empfänglich, was nach dem Zweiten Weltkrieg zu Verwerfungen und auch zu Racheakten führen sollte. Im Krieg kämpften Donauschwaben in den ungarischen und rumänischen Armeen auf der Seite des Deutschen Reiches, in Jugoslawien beteiligten sie sich an Besatzungsaufgaben und am Partisanenkrieg gegen die jugoslawische Volksbefreiungsarmee. Ab 1941 wurden die Polizeikräfte des Banats hauptsächlich aus „Volksdeutschen“ aufgestellt und der „Judenbesitz“ meist an Volks- und Reichsdeutsche verkauft. Schon deshalb war die Bereitschaft zur Denunziation ihrer jüdischen Mitbewohner weit verbreitet. Die hauptsächlich aus „Volksdeutschen“ bestehende 7. SS-Division „Prinz Eugen“ war eine Einheit der Waffen-SS und beging im Namen des Nationalsozialismus viele Kriegsverbrechen an Partisanen und Zivilisten. Ab 1944 verloren Hunderttausende erst durch Flucht, dann durch Vertreibung, Verfolgung und Deportation ihr Zuhause. Ein Gutteil von ihnen fand in Süddeutschland Zuflucht. Lediglich ein Teil von ihnen durfte bleiben. Viele von ihnen kamen dann Jahrzehnte danach als Spätaussiedler nach Deutschland. Den Historikern Gerhard Seewann und Michael Portmann ist ein ausführliches und interessantes Werk gelungen. Laut einer Bevölkerungsstatistik lebten 2011 in Rumänien noch 36 000, in Ungarn 132 000, in Serbien 4 000 und in Kroatien noch 3 000 Menschen mit deutscher Nationalität. Ernst Reuß Seewann, Gerhard; Portmann, Michael: Donauschwaben. Deutsche Siedler in Südosteuropa. Zweite aktualisierte und korrigierte Auflage. Mit zahlreichen Farb- und S.-W.-Abbildungen, Karten und ausführlichen Registern. 371 Seiten, gebunden. Reihe: Potsdamer Bibliothek östliches Europa – Geschichte, Potsdam 2020. Herausgegeben vom Deutschen Kulturforum östliches Europa und dem Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, 19,80 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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