In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fand die sogenannte „Kristallnacht statt. Anschließend wurden 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert. Hunderte wurden ermordet oder starben an den Haftfolgen. Geschäfte, Wohnungen und jüdische Einrichtungen wurden zerstört. Exemplarisch der gekürzte Bericht einer katholische Haushälterin aus der kleinen Stadt Langenfeld bei Düsseldorf, in der nur mehr wenige Juden lebten. Abgedruckt auf Seite 22 ff. des sehr lesenswerten Buches von Alfons Dür: Unerhörter Mut, Eine Liebe in der Zeit des Rassenwahns, Innsbruck 2013, EUR 9,95:
„Ich hörte, daß in unserem Haus Scheiben eingeschlagen wurden. Aus diesem Grund stand ich auf und begab mich zum Parterre. (…) Nach kurzer Zeit hat Salomon das Haus verlassen und ist nach dem damaligen Polizeimeister Schoofs, Talstr. hingegangen, um dort um Schutz zu bitten. Von dort kam er zurück und erklärte mir, daß Schoofs ihm für Schutz sorgen würde. Nach einiger Zeit fuhr nun ein Auto am Haus Salomon vor und wir waren der Annahme, daß es Polizeibeamte waren. Aus diesem Grund öffnete Salomon die Haustüre und kamen nun 6–8 SA-Leute in Uniform herein, die sofort über Salomon herfielen. Mit einer Treppenlatte, die von den SA-Leuten abgerissen wurde, wurde nun Salomon mißhandelt. (…) Ph. M. hat mit der Latte den Salomon mißhandelt. Sein Vater, der F. M. zog den SA-Dolch und wollte damit auf Salomon einstechen. Der Sturmführer F. hielt ihn davor zurück. Salomon lag auf dem Fußboden im Flur. Ob er durch die Mißhandlung blutete, kann ich nicht angeben. Ich bin von der ersten Etage aus, weil ich Angst um mein Leben bekam, aus dem Fenster gesprungen und blieb schwer verletzt im Garten liegen. Von dort hörte ich das schwere Stöhnen des Salomon. Durch diesen Sprung aus dem Fenster war das rechte Bein dreimal gebrochen und das linke einmal. Nach etwa 10 Minuten habe ich geklopft und hat Herr Salomon mich in dieser Lage aufgefunden. (…) Nach einiger Zeit, als ich auf dem Sofa im Wohnzimmer lag, erschienen zwei mir unbekannte SA-Leute und waren diese mit Beilen bewaffnet. Sie schlugen die Türfüllung entzwei und suchten gleichzeitig den Salomon. Dieser war durch den Keller nach dem Garten geflüchtet und wurde er von den SA-Leuten verfolgt, jedoch haben dieselben diesen nicht gefunden. Das ganze Haus wurde nun demoliert, jedoch konnte ich die einzelnen Beschädigungen nicht feststellen, da ich gehunfähig auf dem Sofa lag. (…) Bemerken möchte ich noch, daß bei der Zerstörung des Hauses und der Möbel zwei SA-Leute in mein Zimmer kamen, denen ich erklärte, daß ich krank sei. Einer davon sagte nun, dann schonen wir dieses Zimmer. Das ganze Haus wurde vollständig demoliert. Alle Türen, Möbel, Fenster und die Treppengeländer wurden gewaltsam zerstört bezw. umgeworfen. Ebenso wurde das Haus auch ausgeplündert, von mir wurden 2 goldene Ringe, 1 goldnes Armband mit Brillantsteinen, 1 silberne Theatertasche gestohlen. (…)“ Nach dem Krieg wurde von einem Überlebenden Anzeige gegen die Tatbeteiligten erstattet. Das Verfahren endete mit geringfügigen Strafen für mehrere Beteiligte. Ernst Reuß Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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