Heute vor 76 Jahren, am 16. April 1945, begann die sowjetische Großoffensive an Oder und Neiße. Die unaufhaltsame Offensive der Sowjets begann in der Nacht vom 15. auf den 16. April um 3 Uhr. Mit einem Schlag brüllten an der ganzen Front tausende Geschütze. Die Kanoniere mussten den Mund offen halten, um den Überdruck in den Ohren auszugleichen. Die wenigen deutschen Soldaten, die den Angriff überlebten, bezeichneten ihn als Hölle, Inferno oder Erdbeben. Viele wurden völlig taub. Nur einige wenige überlebten und noch heute werden in den verschütteten Schützengräben Leichen gefunden. Nach 30 Minuten Dauerbeschuss begann der Hauptangriff, dem die deutschen Soldaten hoffnungslos unterlegen waren. Auf einer 400 Kilometer breiten Front wurden sie einfach überrannt.
„Lorenz, der gegen seinen ausdrücklichen Willen inzwischen doch noch vom Gefreiten zum Unteroffizier befördert worden war, hatte – wie schon an der Front im Kubangebiet – sehr viel Glück. Er überlebte und geriet am 16. April 1945 kurz nach Beginn der letzten Offensive in der Nähe von Cottbus in Gefangenschaft. Über die genauen Umstände seiner Gefangennahme lässt sich leider nichts mehr ermitteln. Die Gefangennahme ging für ihn jedoch glimpflich aus, was nicht immer so war wie ein geheimer Bericht an den Volkskommissar für Inneres zeigt: „Bei Militärangehörigen der 1. Polnischen Armee ist ein besonders grausames Verhalten gegenüber den Deutschen zu vermerken. Es gibt viele Fälle, wo die gefangengenommenen deutschen Soldaten und Offiziere nicht zu den Sammelpunkten gebracht, sondern unterwegs erschossen werden. Zum Beispiel: in der Hauptkampflinie des 2. Infanterieregiments der 1. Infanteriedivision waren 80 deutsche Soldaten und Offiziere ergriffen worden. Bei ihrer Eskortierung zum Sammelpunkt wurden dort nur zwei Kriegsgefangene abgeliefert, die übrigen erschossen. Nur noch dem Regimentskommandeur gelang es, die verbliebenen zwei Kriegsgefangenen zu verhören, als er sie seinem Mitarbeiter für Aufklärung zum Verhör überstellen ließ, wurden auch diese beiden unterwegs erschossen. Der Politstellvertreter des Kommandeurs der 4. Infanteriedivision, Oberstleutnant U., erschoß im Beisein eines Offiziers der Divisions-Aufklärungsabteilung 9 Kriegsgefangene, die freiwillig zu uns übergelaufen waren.“ (aus: Ernst Reuß, Gefangen! Zwei Großväter im Weltkrieg, Seite 118 f.) Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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