„Schon als kleines Kind bläute man mir ein, dass ich anders war. Obwohl ich mich gar nicht anders fühlte, wusste ich damals schon ganz genau, dass ich nicht dazugehörte, weil ich ein Jude war.“
Derjenige, der das schreibt, wurde 1931 in Berlin als Horst Cohn geboren. Aufgewachsen ist er in der Nähe von Königs-Wusterhausen in Wolzig, wo seine Eltern in einem jüdischen Jugendheim tätig waren. Bereits kurz nach der Machtergreifung überfielen SA-Männer im Juni 1933 das Heim und verschleppten die meisten Jugendliche und Erzieher in das KZ Oranienburg. Horst Cohns Eltern entkamen nach Berlin und zogen dort ins Haus der Eltern seiner Mutter in die Zehdenicker Straße 28. Schikanen und Zwangsarbeit waren in den nächsten Jahren an der Tagesordnung, bevor er 1943 als 12-Jähriger mit seinen Eltern ins Vorzeigeghetto nach Theresienstadt deportiert wird. Cohn, der Mundharmonika spielen und einige Nazis gnädig stimmen konnte, ist überzeugt, dass dies sein Leben und das Leben seiner Eltern rettete. Ungefähr 33 000 Menschen starben in Theresienstadt, 88 000 wurden in die Vernichtungslager deportiert. Horst und seine Eltern überlebten und wurden im Februar 1945 mit 1 200 Leidensgenossen freigekauft und per Zug in die Schweiz gebracht. Himmler versprach sich davon einen Vorteil für die bereits absehbare Zeit nach Ende des Krieges. Es sollte der letzte derartige Transport bleiben, denn als Hitler davon erfuhr, untersagte er weitere Rettungsmissionen. Die Familie Cohn wanderte danach nach Israel aus, Horst änderte seinen Vornamen in Zvi. Cohn schreibt: „Das Gefühl der Freiheit, das ich zum ersten Mal in der Schweiz erleben durfte, hat mich tief geprägt. Keiner dort schlug mich, keiner trat mich. Keiner demütigte mich und zwang mich zu irgendetwas. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich ein freier Jude. Ich war von der Hölle ins Paradies gekommen.“ Am 14. November ist er Gast in der Sendung von Markus Lanz. Ernst Reuß Zvi Cohen, Jörg Huber, Elisa Makowski, Der Junge mit der Mundharmonika. Aus dem Ghetto Theresienstadt mit dem Zug in die Freiheit, Metropol Verlag, Berlin 2019, 156 Seiten, € 16.00 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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