Unterhaltsam und witzig erzählt Ralf Grabuschnig in seinem Buch „Endstation Brexit“ Episoden aus der 2000-jährigen englisch-europäische Geschichte. Beispielsweise die von Æthelred dem Unfertigen, der schon im Jahre 978, als 10-Jähriger, König von England wurde und es angesichts ständiger Konflikte nicht leicht hatte. Grabuschnig schreibt: „Zugegeben, es war wirklich keine leichte Zeit an der Spitze Englands zu stehen, jetzt, mit den ganzen Wikingerangriffen und so. Andererseits: Gibt es je eine gute Zeit dafür? Theresa May oder David Cameron könnten wahrscheinlich das ein oder andere Wort dazu sagen. Immerhin muss sich Frau May heute nicht mit betrunkenen Nordmännern herumschlagen, die Englands Dörfer plündern und Frauen vergewaltigen; sie kämpft nur gegen einfallende Ostmänner, die Englands Alte pflegen und Toiletten reparieren.“
1066 nach der Schlacht von Hastings und der Eroberung Englands durch die französischen Normannen, habe sich England erstmals dem Kontinent Europa zugewandt, nachdem es zuvor mehr mit Skandinavien und den Wikingern zu tun hatte. Den ersten Brexit gab es eher ungewollt dann schon kurz später unter der Führung von John Lackland, auf Deutsch Johann Ohneland, dem Bruder von Richard Löwenherz, der bis 1204 fast alle Besitzungen auf dem Kontinent verlor, weil er sich eher ungeschickt verhielt. Zuvor war fast ganz Frankreich im Besitz der englischen Krone gewesen. Der Autor berichtet von Heinrich VIII., der als König von England 1534 den Bruch mit der römisch-katholischen Kirche veranlasste bis zu Königin Victorias Splendid Isolation und ihrer gescheiterten Heiratspolitik. Ihr Enkel, der deutsche Kaiser Wilhelm der Zweite, saß an ihrem Sterbebett; trotzdem gab es bald zwei Weltkriege. Erst als die englische Wirtschaft im Argen lag, trat man 1973 der EU bei, die damals noch EWG hieß. Margaret Thatcher und das englische Empire-Großmachtsgefühl machte es den anderen Staaten in der EU danach nicht einfach. All das wird flüssig, amüsant und manchmal sogar eine Spur zu flapsig erzählt. Das Buch ist ein kurzer Geschichtsexkurs, der uns zeigen soll, dass ein Brexit, wenn auch mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Folgen Bestandteil des historischen Gedächtnisses der Briten und daher nichts wirklich Neues ist und es immer wieder Annäherung und Entfernung zwischen der britischen Insel und dem Kontinent Europa gab. Das Buch ist daher folgerichtig David Cameron, dem ehemaligen Premierminister Großbritanniens, gewidmet, ohne den Grabuschnigs Erstlingswerk wohl nie entstanden wäre. Ernst Reuß Ralf Grabuschnig, Endstation Brexit, Tectum Wissenschaftsverlag, Juli 2018, Taschenbuch 208 Seiten, 18.95 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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