Am 12. Januar 1945 begann die große sowjetische Winteroffensive im Osten. Die Sowjets hatten nicht wie von Hitler erwartet in Ungarn, sondern von ihren Brückenköpfen an der Weichsel aus zu einer Großoffensive angesetzt. Binnen weniger Wochen waren sie an der Oder und Neiße. Ostpreußen und Schlesien wurden überrannt. Der Krieg sollte nicht mehr lange dauern.
Am 16. April 1945 wurde dann an der Oder der Kampf um Berlin eingeleitet. Gewaltiger Artillerie- und Panzerbeschuss kündigten den Vormarsch mit Höllenlärm an. Die Deutschen kämpften besonders gegen die Rote Armee erbittert, auch wenn es keinen Sinn mehr machte. Viele Wehrmachtsoldaten wussten warum, denn ihnen war nicht entgangen welche Verbrechen von deutschen Soldaten im Osten begangen worden waren. Sie hatten Angst vor der Rache derjenigen, deren Angehörige gnadenlos gemeuchelt wurden. Die Propagandamaschinerie der Nazis tat ein Übriges. 27 Millionen sowjetische Bürger verloren ihr Leben bis Deutschland von Hitler befreit war. Viele davon in der letzten Schlacht um Berlin. Die Rotarmisten, die den Sieg nicht mehr erlebten, wurden fern der Heimat, oft in Brandenburg und oft in Massengräbern bestattet. An die 4 000 derartige Gräber soll es in ganz Deutschland geben. Nicht nur die meist unbekannten Rotarmisten, sondern auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter wurden dort beerdigt. Mitunter fanden auch deutsche KZ-Häftlinge und nach dem Krieg dort stationierte Sowjetsoldaten ihre Grabstätte genau dort. Die Schlacht um die Seelower Höhen ist legendär, alleine in Lebus wurden mehr als 5 000 Rotarmisten bestattet. Bis heute findet man bei Ausgrabungsarbeiten Leichen von Rotarmisten, die dann dort begraben werden. Zuletzt machte im Dezember 2019 ein Skelettfund in Potsdam von sich Reden. Im Garten der Villa Kellermann, die offenbar dem Fernsehmoderator Günter Jauch gehört und in der der Berliner Sternekoch Tim Raue ein Restaurant betreibt, wurden die Knochen und der Schädel eines Rotarmisten entdeckt. Auch dieser unbekannte Rotarmist wurde letztlich in Lebus bestattet. Nach dem Sieg der Roten Armee wurden nicht nur bei den Begräbnisstätten in Brandenburg und Berlin Denkmäler errichtet. Die Bundesregierung verpflichtete sich vertraglich mit Russland und mit der Ukraine, diese Gedenkorte als Mahnmale gegen das Vergessen zu schützen und zu erhalten. Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung dokumentiert ein zweisprachiger Bild-Text-Band in Deutsch und Russisch nun viele dieser Denkmäler. Neben den, den meisten Berlinern und Brandenburgern bekannten Mahnmalen in Treptow und an der Straße des 17. Juni, gibt es im Bildband noch sehr viel weitere Denkmäler zu sehen. Vor allem in Brandenburg, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Kurze Texte erläutern die interessanten Fotos. Verdienstvollerweise werden auch schon fast vergessene Grabstätten, wie die in Uckro wieder in Erinnerung gerufen. Eine Liste der Erinnerungsorte für ganz Deutschland ist am Schluss des Buches angefügt. Vielleicht auch als Anregung, einmal einen kleinen Ausflug in die Umgebung zu machen und nachzudenken. Ernst Reuß Frank Schumann, Denkmale der Befreiung, Spuren der Roten Armee in Deutschland, Mit Fotografien von Fritz Schumann, 256 Seiten, 21,3 x 28,5 cm, geb. mit ca. 300 Abbildungen durchgängig farbig zweisprachige Ausgabe in deutsch/russisch mit Vorworten von Matthias Platzeck und Sergej J. Netschajew, Eulenspiegel Verlagsgruppe, Berlin 2020, 32 € Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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