Eindrücklich und plastisch berichtet Schrade in seinen Erinnerungen über den grausamen Lageralltag. Über Zwangsarbeit, Folter und Demütigungen. Er galt im »Dritten Reich« als »Berufsverbrecher«. In der Weimarer Republik hatte er wegen Hehlerei, Betrug, Diebstahl und Urkundenfälschung mehrere Haftstrafen verbüßt. Er fiel unter den 1933 in Preußen eingeführten »Erlass zur Anwendung der vorbeugenden Polizeihaft gegen Berufsverbrecher«. Der Kleinkriminelle war Häftling in Lichtenburg bei Torgau an der Elbe und Torfstecher in Esterwegen im Emsland, er musste die Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Flossenbürg mit aufbauen. »Berufsverbrecher«, im KZ mit einem grünen Winkel gekennzeichnet, wurden vielfach als Funktionshäftlinge, eingesetzt; sie standen den SS-Männern zum Teil in Grausamkeit nicht nach. Nicht so Schrade. Zeitzeugen berichteten und Dokumente belegen, dass er als »Revierkapo« in der Krankenstation von Flossenbürg Leben rettete.
Einer der bemerkenswerten Schraderschen Sätzen lautet: »Ganz Deutschland gehorchte. Es war so angenehm, seinen Nachbarn zu töten, der sich nicht wehren konnte.« Und über Deutschland 1945 bemerkt der Berichtende: »Dieses große Land ist nun, seiner fanatischen Ideologie beraubt, nur noch erbärmliches Gespenst seiner selbst, ... ein Hirngespinst in seiner unendlichen Ernüchterung.« Nach dem Krieg Vertreter für Putzlappen, versuchte Schrade vergeblich, als politischer Häftling anerkannt zu werden. Im Flossenbürg-Prozess 1946 sagte er gegen ehemalige Wachleute aus, was ihm verübelt wurde. Nach jahrelangem Kampf mit den Behörden wurde sein Antrag auf Haftentschädigung 1958 im westdeutschen »Wirtschaftswunderland« schließlich endgültig abgewiesen. Ernst Reuß Carl Schrade: Elf Jahre. Ein Bericht aus deutschen Konzentrationslagern. Hg. v. Kathrin Helldorfer, Annette Kraus und Jörg Skriebeleit. Wallstein, Göttingen. 336 S., geb., 19,90 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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