Antisemitismus war in der DDR scheinbar nicht vorhanden, doch zum Erbe der DDR gehört ein feindseliges Israelbild, das auch heute noch Antisemiten für Feindseligkeiten dient, die angeblich „nur den Zionisten“ gelten. Der Holocaust galt der SED nur als ein NS-Verbrechen unter vielen. Im Vordergrund stand für sie die Verfolgung der Kommunisten.
Zwar wurde den in der DDR wohnenden Holocaust-Überlebenden als „Opfer des Faschismus“ eine Rente gewährt, aber verfolgte Kommunisten erhielten als „Kämpfer gegen den Faschismus“ eine deutlich höhere Rente. Kein anderer Ostblockstaat unterstützte die palästinensischen Befreiungsbewegungen so stark wie die DDR, Israel dagegen wurde von der DDR-Propaganda dämonisiert. Im Schwarzen Kanal von Eduard von Schnitzler wurde antisemitisch agitiert und davon schwadroniert, dass Israel nun selbst an einer „Endlösung“ beteiligt sei. Ins selbe Horn stieß das Neue Deutschland mit Horrorgeschichten. Zudem wurden Kinder und Jugendliche in staatlichen Jugendzeitschriften diesbezüglich unverhohlen indoktriniert. Nachwirkungen dieser DDR-Politik sind bis heute zu spüren. Schändungen jüdischer Friedhöfe gab es bis zum Ende der DDR sehr häufig. Sie wurden als „Dummenjungenstreiche“ bagatellisiert oder wurden „feindlichen westlichen Agenten“ in die Schuhe geschoben. „Inzwischen werden wieder Friedhofsschändungen am laufenden Band gemeldet“, resümierte Leon Löwenkopf, ehemaliger Widerstandskämpfer, KZ-Häftling und Organisator des jüdischen Wiederbeginns schon Anfang 1948 „Die Millionen plötzlicher Auch-Demokraten und Auch-Antifaschisten, die gestern noch für Hitler durch dick und dünn gingen und morgen wieder gehen werden, haben lediglich ihr Mäntelchen gewendet.“ Später wurde Löwenkopf als „zionistischer Agent“ diffamiert, nachdem er – wie so viele - wegen antijüdischer Repressionen aus der DDR geflohen war. Auslöser für diese Repressionen war ein Schauprozess in Prag gegen den ehemaligen KP-Generalsekretär Slánský und zehn weiteren Angeklagten. Sie wurden wegen „zionistisch-imperialistischer Agententätigkeit“ zum Tode verurteilt. Auch in der DDR hatte dies Folgen. Man überprüfte Kaderakten von allen Parteimitgliedern jüdischer Abstammung, woraufhin etliche Menschen entlassen wurden und viele Juden aus der DDR flohen, darunter auch Volkskammerabgeordnete und jüdische Gemeindevorsitzenden. Hochrangige Parteifunktionäre wurden in einem Schauprozess beschuldigt, jahrelang als „zionistische Agenten“ an der „Verschiebung von deutschem Volksvermögen“ zugunsten amerikanischer und „jüdischer Monopolkapitalisten“ gearbeitet zu haben. Einer davon war Paul Merker, denn er hatte sich als einziges Mitglied des Politbüros und des Zentralkomitees der SED für die Gründung Israels und für Entschädigungszahlungen ausgesprochen. Eine Auseinandersetzung um Schuld und Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus wurde in der DDR nie geführt, denn man war der Ansicht das antifaschistische und sozialistische „neue Deutschland“ habe mit der jüngsten deutschen Vergangenheit rein gar nichts mehr zu tun. Die SED lehnte es auch bis kurz vor dem Ende der DDR ab Zahlungen an Israel oder internationale jüdische Organisationen zu leisten. Erst 1990 verabschiedete die erstmals frei gewählten Volkskammer ein gemeinsames Statement aller Fraktionen, in der sie sich ausdrücklich zu einer Mitverantwortung der DDR für die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands bekannten und erklärten: „Wir bitten die Juden in aller Welt um Verzeihung. Wir bitten das Volk in Israel um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Lande.“ Ernst Reuß Wolfgang Benz (Hrsg.), Antisemitismus in der DDR, Manifestationen und Folgen des Feindbildes Israel, Metropol Verlag, Berlin 2018, 275 Seiten, € 19.00 Comments are closed.
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AutorErnst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Archiv
März 2024
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